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DER NEUE TAG / Oberpfalznetz.de

WEIDEN
Fulminanter Tourneestart eines echten Meisters

Jazz ohne doppelten Boden: Saxofonist Jim Snidero spielt mit der "Flo Kettler Group" in Weiden
Ein kurze Probe am Nachmittag, und schon stand das Programm für einen kompletten Konzertabend vor einem kritischen Publikum im "Alten Eichamt", dem Domizil des Jazz-Zirkels Weiden. Wer jetzt erwartet hatte, dass wieder einmal die alten Schlachtrösser und Gassenhauer aus dem amerikanischen Songbook auf dem Programm stehen, wurde eines Besseren belehrt: Fast nur Eigenkompositionen von Jim Snidero kamen zur Aufführung, alles komplexe Werke mit raffinierten Themen und interessanten Einleitungen und Arrangements.

Perfekt eingespieltes Team
Pianist Bernhard Pichl war schon mit unzähligen Größen der Szene unterwegs und hat seine Lektionen perfekt verinnerlicht. Mit dem legendären Trompeter Valery Ponomarev gastierte er bereits in Weiden und zeigte sich wieder als Meister der Hardbop-Phrasen und als einfallsreicher Solist. Bassist Rudi Engel sorgte bei dem unvergesslichen Konzert mit dem Saxofon-Giganten Ernie Watts für eine Sternstunde beim Jazz-Zirkel. Beide sind auch als Dozenten an der Hochschule für Musik in Würzburg und Nürnberg tätig.

 Bandleader Florian Kettler überraschte schon im Frühling im "Johannes Geiß/Michael Arlt Quartet" nicht nur durch sein jugendliches Alter, sondern vor allem durch sein einfühlsames Spiel auf dem Drumset sowie durch filigrane Besentechnik.

Stargast aus den USA aber war Jim Snidero: Man hatte seinen Namen schon oft neben denen der ganz Großen gelesen, darunter Sinatra, Bennett und die "Mingus Big Band". In den USA genießt er einen ausgezeichneten Ruf als Sessionmusiker, endlich konnte man ihn nun live innerhalb einer kleinen Gruppe erleben. Snidero verfügt über einen großartigen Ton auf dem Altsaxofon - mal aggressiv und quirlig mit heißen Bebop-Klängen, dann wieder einschmeichelnd und sanft.

Jeder Ton eine Offenbarung
Jeder Ton kommt bewusst und bedeutungsvoll, Snidero vermeidet nichtssagende Phrasen und leere Demonstration seiner Technik. Immer wieder verblüfft er durch stimmungsvolle Einleitungen und unbegleitete Solopassagen, wobei auch Atmung und Klappen perkussiv eingesetzt werden. Die Musik kocht und swingt, man fühlt sich zurückversetzt in eine andere Zeit: Erinnerungen an heiße Nächte im Münchner "Domicile" oder im Nürnberger "Jazzstudio" werden wach. Der Zuschauer spürt die Begeisterung und Freude am Zusammenspiel. Jeder Musiker hat genug Freiraum, sich solistisch auszudrücken und auszuspielen. Musik aus dem Bauch und nicht an Reißbrett oder Computer konstruiert.

Als Zugabe gab es dann mit "There is no greater love" doch noch eine Nummer aus dem Great American Songbook, untermalt mit feiner Besenarbeit und filigranen Beckenklängen. Snidero zeigte sich sehr angetan von der Akustik im Dachgebälk: "Ich spiele gerne hier, es ist wie zu Hause in meinem Wohnzimmer."

Der Auftritt beim Jazz-Zirkel Weiden stand am Anfang einer Tournee, die in den kommenden Wochen nicht nur durch die großen Jazz-Clubs in Deutschland führt, sondern auch nach Belgien und Spanien. Man darf gespannt sein, in welche Richtung sich ihre Musik nach diesen gemeinsamen Erfahrungen entwickelt.